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„Beschreibung“ kurfürstlicher Fahnen?
(deutsch, 1702)

"Beschreibung" kurfürstlicher Fahnen?, deutsch 1702, Inv.-Nr. N 3330 © Bayerisches ArmeemuseumIn den Sammlungen des Bayerischen Armeemuseums gibt es neben spektakulären Schaustücken auch unscheinbare Objekte, die erst bei genauer Untersuchung ihre historische Bedeutung erkennen lassen. So fand sich in der Abteilung „Dokumente“ ein von Hand beschriebenes Blatt, das auf den ersten Blick nur eine knappe Beschreibung einiger kurbayerischer Feldzeichen enthält, aber tatsächlich direkt in den Propagandakrieg hineinführt, der den Spanischen Erbfolgekrieg (1700-1713) begleitete.
Es handelt sich um ein unbeschnittenes Büttenpapier im Folio-Format (ca. 35,5 x 22,5), wie es im 17. und 18. Jahrhundert für Briefe verwendet wurde. Es ist mit bräunlicher Tinte beschrieben und scheint eher ein rascher Entwurf als eine Reinschrift zu sein.

Das Schriftstück ist oben links auf den 15. 8br. (also den 15.Octobris = Oktober) 1702 datiert und beginnt als sachlicher Bericht:
„Ihro Churf[ürst]l. D[urc]hl[aucht] von Bayern logiren zu Offenhaußen, eine Viertelstunde von Ulm, unter seiner Garde, und der bey Ulm annoch stehenden Manschaft. Verwichenen Sontag hat der Praelat zu Wengen 4 Standarten geweyhet, worauf folgende emblemata zu sehen gewesen.“

Demnach hat Kurfürst Max Emanuel von Bayern kurz nach seinem erfolgreichen Überfall auf die Freie Reichsstadt Ulm (8. September 1702) in dem nahegelegenen Dorf Offenhausen durch den Prälaten des Wengenklosters vier neue Standarten für eine berittene Einheit weihen lassen. Dieser Vorgang, wohl vom Anfang Oktober 1702, wird durch mehrere gedruckte zeitgenössische Berichte bestätigt. Die Einheit wird nirgends genannt, aber vermutlich handelte es sich um das neu aufgestellte Husaren-Regiment Locatelli. Erhalten haben sich weder diese Standarten noch zuverlässige Abbildungen.
Der Bericht beschreibt nun die auf diese Standartentücher gemalten oder gestickten Emblemata, das waren in der Barockzeit sehr beliebte Sinnbilder, häufig mit Bezug auf antike Mythologie oder Tierfabeln. Solche Bilder und Sinnsprüche fanden sich nicht selten auf Feldzeichen; sie sollten den Kampfesmut und die Gefährlichkeit einer Truppe betonen und gleichzeitig den unbedingten Siegeswillen des Fürsten demonstrieren:

„Auf der einen stunde ein Bähr aufrecht mit der Umschrift: in vulnere crudelior [verwundet (bin ich) noch grausamer].
Auf der andern war wieder ein Bähr und stunde: nec sanguine satior [ich werde auch durch Blut nicht gesättigt].
Das dritte praesentirte eine Crone, mit diesen Worten: aut coronari aut rumpi [entweder gekrönt werden oder zerbersten]
Auf der 4ten war ein Comet und die Worte zu sehen: nec aspectus me terret. [auch dieser Anblick schreckt mich nicht]“

Soweit entspricht der Bericht auf dem Blatt den bekannten Nachrichten; nun folgt aber ein weiterer Abschnitt, der die Rückseiten dieser Standarten zu beschreiben vorgibt:

„Auf obige 4 Emblemata sind gegentheils 4 andere gemacht worden, davon
Das 1te eine Sau aufrecht auf dem GlattEyß stehend, praesentiret, mit der Umschrift videas ne cadas [pass auf, dass du nicht fällst]
Das 2te zeiget wiederum eine Sau im Koth wielend, mit dieser Überschrift, nec fodiendo satior [auch durch Herumwühlen werde ich nicht satt]
Das 3te Emblema praesentiret ein Churhütlein mit diesem Worte periclitor [ich bin gefährdet].
Das 4te praesentiret einen Sack voll frantzöß[ischer] Doublonen und Thaler, mit der Beyschrift aspectus me trahis [dein Anblick zieht mich an].“

Hier handelt es sich ganz offensichtlich um eine satirische Verdrehung, die gegen Max Emanuel gerichtet ist: Der für den Bayern stehende tapfere und starke Bär wird hier zu einem übermütigen, dummen und dreckigen Schwein, anstelle der erstrebten Königskrone steht hier ein mickriger Kurhut, den Max Emanuel durch sein Handeln gegen Kaiser und Reich selbst in Gefahr bringt (tatsächlich sollte 1706 die Reichsacht gegen den nach der Schlacht von Höchstädt 1704 außer Landes getriebenen Kurfürsten verhängt werden), und schließlich wird ihm vorgeworfen, allein von der Gier nach dem Geld des französischen Königs getrieben zu sein.
So stellt dieser im Bestand des Museums aufgefundene Text ein bislang unbekanntes Beispiel für die wenig zimperliche publizistische Propaganda, die als „Krieg der Federn“ die militärischen Auseinandersetzungen begleitete. Der Spanische Erbfolgekrieg dauerte 13 Jahre, wütete in Teilen Europas und darüber hinaus und brachte nicht zuletzt das Kurfürstentum Bayern an den Rand des Untergangs. Es war seit 1705 von kaiserlichen Truppen besetzt und wurde erst im Zuge des Friedensschlusses durch die Verhandlungen der Großmächte wiederhergestellt.
Das einzelne Blatt lag wohl ursprünglich – laut einer in neuerer Zeit darauf vermerkten Bleistiftnotiz – einer Korrespondenz des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, Befehlshaber der Reichsarmee gegen Bayern und Franzosen im Feldzug von 1702, bei. Es befand sich später im Nachlass eines sächsischen Offiziers und Historikers aus dem 19. Jahrhundert. Wann und wie es in den Bestand des Bayerischen Armeemuseums gelangte, ist noch nicht geklärt (Inv.-Nr. N 3330).


Objekt des Monats


Trinkbecher aus Eisen, Deutsches Reich 1918, Inv.-Nr. 0348-2022 © Bayerisches Armeemuseum

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