Rückenplatte, dreiteilig aus Hauptplatte und zwei Seitenplatten
(süddeutsch?, frühes 16. Jahrhundert)
Da im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit nahezu alle Männer, vom Bauern bis zum Adligen, an Kriegen und Fehden teilnehmen mussten, besaßen sie eine entsprechende Ausrüstung an Waffen und Rüstungsteilen. Diese fiel natürlich entsprechend der eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten unterschiedlich aus. Die Obrigkeit, sei es eine Stadtgemeinde oder ein adliger Grundherr, legte aber entsprechende Mindestanforderungen fest, die bei Musterungen auch regelmäßig überprüft wurden. Während die Aufbewahrung der Waffen und Rüstungen zunächst im eigenen Haushalt geschah, wurden im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts zahlreiche sowohl städtische als auch landesherrliche Zeughäuser gebaut, in welchen die zunächst weiterhin privaten, später gemeinschaftlich besessenen Waffen und Rüstungen aufbewahrt wurden. Diese stellten eine Art Minimalausstattung bereit, für die ihre Wehrpflicht erfüllenden Bürger und Untertanen oder auch für gegen Geld angeworbenen auswärtige Söldner, sollte es den Einzelnen an entsprechenden eigenen Rüstungsteilen fehlen.
Vermutlich aus derartigen Zeughausbeständen stammen eine große Anzahl der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Waffen und Rüstungsteile im Bayerischen Armeemuseum. Dazu gehören auch über ein Dutzend relativ schlichte Rückenplatten des frühen 16. Jahrhunderts, die alle konstruktiv ähnlich gefertigt wurden, nämlich aus einer dreiteiligen Rückenplatte, bestehend aus einer mittleren Hauptplatte und zwei Seitenplatten. Nicht bei allen, aber bei einigen fügt sich dem noch am unteren Rand ein angenieteter fachterminologisch sogenannter Gürtelreifen an, der bei der hier vorgestellten Rückenplatte wiederum aus zwei zusammengenieteten Einzelteilen besteht.
Derartige dreiteilig gefertigte Rückenplatten kamen um oder kurz nach 1500 auf. Eine der frühesten datierten Abbildungen findet sich auf einer Zeichnung Albrecht Dürers (1471–1528) aus dem Jahr 1504. In der Szene Ecce Homo der Grünen Passion steht ein geharnischter Knecht, vermutlich ein Landsknecht, mit dem Rücken zum Betrachter und zeigt seine wohl dreiteilige Rückenplatte (Wien, Albertina, Inv.-Nr. 3090). Auch im vermutlich zwischen 1491 und 1504 gezeichneten sogenannten Kriegstagebuch beziehungsweise Skizzenbuch Paul Dolnsteins findet sich auf fol. 7r eine entsprechende dreiteilige Rückenplatte bei einem Landsknecht (Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Reg. S., fol. 460 Nr. 6). Ein vermutlich ebenfalls 1504 entstandenes Tafelgemälde einer Landsknechtsschlacht zeigt zwei mit Helmbarte und Einhandschwert kämpfende Landsknechte mit dreiteiligen Rückenplatten (Würzburg, Martin von Wagner Museum, Inv.-Nr. F 512). Auch eine Silberfigur des Hl. Mauritius, des Patrons der Kirche St. Moritz in Ingolstadt, zeigt diese dreiteilige Rückenplatte als Teil des Harnisches. Die kleine Silberfigur dürfte um 1500 vom Ingolstädter Goldschmidt Hans Greiff gefertigt worden sein.
Wie diese Abbildungen zeigen waren derartige Rückenplatten, besonders in schlichten, wenig Dekor aufweisenden Varianten, oftmals kein Teil eines viele Einzelstücke umfassenden ganzen Harnischs, sondern wurden lediglich in Kombination mit einer ebenso einfachen Brustplatte getragen, wozu gegebenenfalls noch ein Helm und ein ebenfalls schlichtes Armzeug kommen konnten. Sie waren also vornehmlich für einfache Fußknechte gedacht. Somit erklärt sich auch ihre eher einfache Fertigungsweise. Die Anfertigung der Rückenplatten aus einem Mittelteil und zwei Seitenteilen sparte Zeit im Formgebungsprozess, da nur relativ flache Wölbungen gefertigt werden mussten. Die drei Einzelteile konnten, wie bei der hier vorliegenden Rückenplatte schlicht mit Nieten verbunden werden. Andere Exemplare haben aber auch eine Verbindung mittels kleiner eingenieteter Lederriemen oder mittels Scharnieren.
Die Rückenplatte des Bayerischen Armeemuseums weist aber dennoch Dekorelemente auf, nämlich zwei im oberen Bereich befindliche Felder relativ breiter Kanneluren. Da diese den ebenfalls erst im frühen 16. Jahrhundert aufkommenden Riefelungen ähneln, dürfte sie nicht zu den allerfrühesten derartigen Rückenplatten gehören, die auf solchen Dekor noch verzichteten. Interessant sind auch drei im Inneren, knapp über der Taillenlinie eingenieteten kurze Lederriemen mit Schnallen, deren Zweck vorerst unbekannt bleibt. Auch wenn einige Vernietungen der Rückenplatte bei Restaurierungen erneuert wurden, scheint dieses Detail dennoch ursprünglich zu sein, da in einer weiteren Rückenplatte (Inv.-Nr. N 5323) an den entsprechenden Stellen, zwar keine Riemen, aber deren manschettenartige Befestigungsstellen noch vorhanden sind. Ebenfalls bisher unbekannter Funktion sind die an den Rändern vorhandenen Doppellöcher.
Am oberen Abschluss der Rückenplatte befinden sich zwei jüngere Marken mit den Zahlen „19 13“ und „13“ eingeschlagen. Diese könnten Objektnummern eines ehemaligen Zeughauses oder einer Sammlung sein (vergleichbare, eingeschlagene Zahlen finden sich noch an ein paar weiteren Rückenplatten des Bayerischen Armeemuseums).
Die Rückenplatte ist derzeit im Depot des Museums verwahrt, wird aber voraussichtlich Eingang in die neue Dauerausstellung zum Mittelalter finden (Inv.-Nr. N 5324).
Literatur:
Zu dieser Art von Rückenplatten existiert bisher nur eine sehr spärliche Forschung beziehungsweise Literatur. Eine grundsätzliche konstruktive Einordnung findet sich bei Goll, Matthias: Iron Documents. Interdisciplinary studies on the technology of late medieval European plate armour production between 1350 and 1500. Heidelberg 2014, p. 50, 70 (https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/17203/).
Eine Einordnung anhand der Bildquellen findet sich bei Retsch, Christopher: 1504 oder 1514? Das Gemälde einer Landsknechtsschlacht mit dem Monogramm AA in Würzburg und Albrecht Altdorfer. In: Bamberger Perspektiven. Studien zur Kunst des Mittelalters. Hg. von Stephan Albrecht, Lena Ulrich und Clara Forcht. Bamberg 2022, S. 137–155, hier S. 145 (file:///C:/Users/di75wak/Downloads/fisba53983.pdf).
Christopher Retsch