6-pfündiges Kanonenrohr
Bronze
(Preußen, 1803)
Das Kaliber von Kanonenrohren wurde in der Zeit der Vorderlader mit dem Gewicht der Eisenkugeln angegeben, die aus ihnen verschossen wurden. Bei einem 6-Pfünder entsprach das einer Rohrweite von ungefähr 9 cm. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren 6-pfündige Kanonen das zahlreichste Geschütz der Feldartillerie.
Als Preußen 1806 in den Krieg gegen Napoleon zog, verfügte die Armee über ca. 500 6-Pfünder. Bayern, mit Frankreich verbündet, musste sich an diesem Krieg beteiligen. Die bayerische Armee gelangte dabei nach Schlesien. Dort wurde dieses Geschützrohr am 19. März 1807 von Leutnant Friedrich von Hertling und seinen Soldaten vom Regiment Königs Chevaulegers in der Nähe der schlesischen Festung Glatz erbeutet.
Bei seiner Herstellung hatte das Rohr die in Preußen üblichen Verzierungen erhalten: „PRO GLORIA ET PATRIA“ (= für Gott und Vaterland) und „ULTIMA RATIO REGIS“ (= letztes Mittel des Königs), außerdem die Herrscherinitialen „FR“ (= Fridericus Rex).
Die neuen Besitzer versahen es mit den Initialen ihres Herrschers, der erst im Vorjahr die Königswürde angenommen hatte: „MJK“ (= Max Joseph König). Damit war das Rohr zugleich als staatliches Eigentum gekennzeichnet. Außerdem gab man ihm, wie in Bayern üblich, einen Namen, der in ein Schriftband unterhalb der Mündung eingraviert wurde: „GLATZ KÖNIG CHEVAUX LEGERS“. Diese Behandlung des Rohres legt die Vermutung nahe, dass es zunächst nicht als Trophäe bestimmt, sondern an seine Weiterverwendung gedacht war.
Hertling erhielt für seine Tat die höchste bayerische Militärauszeichnung, den 1806 gestifteten Militär-Max-Josephs-Orden. Im Feldzug von 1809 erwarb Hertling den französischen Orden der Ehrenlegion. Er gehörte zu den wenigen, die den Rußlandfeldzug überlebten. Hertling starb 1823 im 39. Lebensjahr.
Das Geschützrohr wurde in der Sonderausstellung „Wilder Napoleon!" (1.12.2013 - 23.03.2014) in den Museen der Stadt Lüdenscheid gezeigt (Inv.-Nr. B 165).