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Briefwaage
(deutsch, um 1920)

Briefwaage, deutsch um 1920, Inv.-Nr. 0442-2018 © Bayerisches ArmeemuseumDer Romanist Victor Klemperer (1881-1960) hatte den Krieg in einem bayerischen Feldartillerie-Regiment mitgemacht. Im Dezember 1918, wenige Wochen nach dem Waffenstillstand, begab er sich nach München, um seine reguläre Entlassung aus der Armee zu bewirken. Außerdem suchte er nach Möglichkeiten, seine Dozentenlaufbahn an der Universität fortzusetzen. So wurde er Zeuge der politischen Entwicklung in der bayerischen Hauptstadt bis hin zur gewaltsamen Niederwerfung der Räterepublik im Mai 1919.

Da die Alliierten die Seeblockade gegen Deutschland auch nach dem Waffenstillstand aufrecht erhielten, war die Ernährungslage in München katastrophal. Klemperer lebte damals in einer Pension in der Schellingstraße. Sein Wohnzimmer entwickelte sich zum Mittelpunkt der kleinen Hausgemeinschaft, weil er eine Briefwaage besaß: "was dem einzelnen an Speck, Butter, Käse oder Schokolade zukam, wurde auf der Briefwaage abgewogen. Ihre Skala umfaßte 1000 Gramm, und wer hätte je noch größere Quanten erschwingen können?" (Victor Klemperer, Man möchte immer weinen und lachen in einem. Revolutionstagebuch 1919, Berlin 2015, Seite 73 f.).

Klemperer stammte aus einer jüdischen Familie, war aber zum Christentum übergetreten. Weder dies noch seine Kriegsteilnahme konnte ihn vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten bewahren. Er gehört zu den wenigen, denen es gelang, die Jahre bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland zu überleben. Seine Tagebücher aus dieser Zeit sind eines der wichtigsten Zeugnisse aus den Jahren 1933 bis 1945.

Eine Briefwaage der Art, wie sie Klemperer 1919 benutzt hat, ist in der Ausstellung "Friedensbeginn? Bayern 1918-1923" im Reduit Tilly ausgestellt (Inv. Nr. 0442-2018).


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Trinkbecher aus Eisen, Deutsches Reich 1918, Inv.-Nr. 0348-2022 © Bayerisches Armeemuseum

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